Reisebericht: Neues aus der Volta-Region


Nürnberg, April 2012
Liebe Freunde und Interessierte unserer Ghana-Arbeit,

Im März dieses Jahres waren Christfried und ich (Helga) in Ghana, um mit den dortigen Projektleiterinnen in persönlichen Kontakt zu treten, die Entwicklung der Projekte zu sehen und damit auch die sinnvolle Nutzung der Spendengelder zu überprüfen und weitere Vorhaben zu planen.
Eine Reise nach Ghana ist immer ein Abenteuer und man kann im Vorfeld wenig planen, denn man weiß nie genau, was auf einen zu kommt. Hier ein kurzer Bericht von dieser Reise, um die frischen Eindrücke vor Ort an Euch weiter zu geben.
Die ersten drei Tage verbrachten wir bei Juliana Foli. Als Krankenschwester und Hebamme in einem der abgelegensten Gebiete Ghanas ist sie trotz ihres hohen Alters noch rund um die Uhr in der Gisela-Memorial-Klinik beschäftigt. Seit Februar ist ihr neues Mitarbeitergebäude, das zum Großteil mit Spendengelder aus dem Verein gebaut wurde, fertig. Christfried und ich durften das Gästezimmer dieses Gebäudes einweihen. Aputia Kpota, der Ort in dem Juliana lebt und arbeitet, hat seit Dezember elektrischen Strom. Das bedeutet entschieden mehr Lebensqualität. Man kann auch nach sechs Uhr abends, noch aktiv sein, z. B. kochen und lesen, aber auch die Kinder, die tagsüber bei der Feldarbeit geholfen haben, können abends noch ihre Hausaufgaben machen. Erleichterungen im täglichen Leben, die für uns selbstverständlich sind, kommen nun auch langsam in Abutia Kpota in der Voltaregion in Ghana an. Leider ist die einzige Verbindungsstraße nach Abutia von Regenzeit zu Regenzeit in schlechterem Zustand und dementsprechend verkehren zur Zeit nur Motorradtaxis auf dieser Straße. Die Fahrer, oft ohne Helm und in der Regel nur leicht bekleidet, werden bei Unfällen entsprechend schwer verletzt in Julianas Klinik gebracht. So bleibt zu hoffen, dass die ghanaische Regierung bei ihren nächsten Straßenbauprojekten auch diese Gegend mit auf einplant.
Um den Klinikbau zu vervollständigen, ist Julianas nächstes Projekt ein einfaches Gebäude, das drei bis vier Menschen Unterkunft gibt. Hier sollen zunächst die Kinder, welche bei Juliana leben sowie eine alte Frau, die keine Angehörigen hat, die sie betreuen können, einziehen. Das Mitarbeitergebäude mit entsprechenden Nebengebäuden ist Teil der Gisela-Memorial-Klinik und ist somit die Grundlage, dass die Klinik an eine Nachfolgerin übergeben werden kann, die dann dort einziehen und wohnen wird, sobald Juliana die Arbeit nicht mehr machen kann. Wir hoffen Juliana auch bei der Umsetzung dieses Nebengebäudes mit Spendengeldern unterstützen zu können.

Christfried und ich sind mit Juliana auch zu ihrem Bruder gefahren, wo wir Amenuveve trafen. Amenuveves Mutter ist vor zweieinhalb Jahren bei ihrer Geburt in Julianas Klinik gestorben. Amenuves Vater war mit den zwei älteren Geschwistern an der Grenze seiner Möglichkeiten angelangt. Eine Auslandsadoption stand damals im Raum, als Juliana dieses Waisenkind als Neugeborenes bei sich aufnahm. Mithilfe von Spenden unterstützten wir die Finanzierung der Flaschennahrung von Amenuveve. Inzwischen hat sich eine deutsche Familie bereiterklärt, Amenuveves Ausbildungskosten einschließlich Studium zu übernehmen. Amenuveve ist ein äußerst selbstbewusstes, aufgewecktes Mädchen. Sie wohnt inzwischen bei Julianas Schwester in Dodowa, einer Stadt etwa eine Autostunde von Aputia Kpota entfernt, wo sie so die Möglichkeit hat, einen guten Kindergarten zu besuchen. Amenuveve telefoniert jeden Abend mit Juliana.
Unsere nächste Reiseetappe führte Christfried und mich nach Hohoe, zu Comfort Agbley, der Leiterin des Modellkindergartens MOMO-Monte. Comfort Agbley wurde durch meinen Einführungskurs in Montessoriepädagogik 2007 dazu angeregt, diesen Kindergarten zu gründen. Christfried und ich versprachen Comfort Unterstützung in inhaltlicher und nach Möglichkeit auch finanzieller Hinsicht.
Vor eineinhalb Jahren hatte sich Comfort dazu entschlossen, ein eigenes Kindergartengebäude zu bauen, damit die neuen pädagogischen Ansätze auch gut umgesetzt werden können. Mit Hilfe zahlreicher Spenden konnten wir Comfort bei diesem Vorhaben unterstützen. Natürlich führte Comfort uns als Erstes zu diesem neuen Gebäude: Das Hauptgebäude ist im Prinzip fertig gestellt. Es ist ein freundliches, einstöckiges hellgelb gestrichenes Haus mit Veranda. Zwischen den zahlreichen Fenstern ist es mit Motiven heimischer Tiere und Früchte bemalt. Blaue Holztüren sind montiert und die Fenster mit Eisenstäben vor unbefugtem Zutritt gesichert. Die Wände in den drei Zimmern sind verputzt und weiß gestrichen. Eine Gruppe mit ca. 20 Kindern empfängt uns mit einem Lied. Es fällt sofort auf welch ruhige, liebevolle Atmosphäre herrscht. Die Kinder sind freundlich, ohne aufdringlich zu sein, sie stellen sich zum Essen holen an, ohne von einem Erwachsenen dazu aufgefordert zu werden. Der Ton der Erwachsenen den Kindern gegenüber ist freundlich und die Kinder wirken offen und entspannt.

Wir besichtigten auch die Baustellen am Gelände: Einige Lehmziegel liegen für das noch zu bauende Küchengebäude bereit, das Toilettengebäude ist fertiggestellt, aber die Toiletten fehlen noch. Auch ist das Gelände noch nicht komplett eingezäunt. Deshalb durfte bisher auch nur eine der insgesamt vier Kindergartengruppen in das neue Haus umziehen. Die anderen Gruppen sind noch im alten Gelände untergebracht, ebenso die Küche. Natürlich besuchten wir auch diese Kinder. Auch hier: Begrüßungslied, auch hier freundlicher, ruhiger Ton und die Kinder reagieren prompt, wenn eine Lehrkraft etwas sagt.
Für uns in Deutschland ist das nichts so ungewöhnliches, aber wenn man bedenkt, dass in ghanaischen Kindergärten normalerweise immer eine Helferin mit dem Stock droht und bei meinen Kursen in den letzten Jahren die Lehrerinnen große Zweifel hatten, wie das mit dem „nicht schlagen“ denn funktionieren solle, da die Kinder auch zuhause oft geschlagen würden und nicht gewohnt seien, nur auf Worte zu hören. MOMO-Monte ist der Gegenbeweis! Offenbar sind die Impulse der Montessoripädagogik, die ich während unserer letzten Ghana-Reisen gesetzt hatte, auf fruchtbaren Boden gestoßen.
Comfort hat inzwischen an drei Wochenenden ein Seminar in Montessoripädagogik in Accra besucht und dieses Wissen an ihre Lehrerkräfte weitergegeben. In den großen Ferien im August/September 2012 folgt eine sechswöchige Montessoriausbildung. Diese Kurse werden von einer Afrikanerin geleitet, die eine umfassende Montessoriausbildung in London gemacht hat. Auch diese Kurse werden durch unsere Spendengelder ermöglicht. Da in der personellen Besetzung noch keine Kontinuität eingekehrt ist, besucht ausschließlich Comfort die Fortbildungen und gibt dann das neu erworbene Wissen an ihre MitarbeiterInnen weiter.
Comfort Agbley hat nun dem Modellkindergarten MOMO-Monte einen neuen Namen gegeben: Montessorieakademie. Damit wird der besondere pädagogische Anspruch, den sie ja mit unserer Unterstützung von Anfang an verfolgt, für GhanaerInnen deutlicher.

Ein wichtiger Punkt damit dieser Modellkindergarten tragfähig wird, ist dessen Finanzierung. Comfort Agbley ist auf dem Weg, das Schulgeld so weit zu erhöhen, dass der laufende Betrieb gedeckt ist.
Für Familien, die diesen Betrag nicht aufbringen können, suchen wir Spender, welche bereit sind, eine Schulpatenschaft zu übernehmen (10 € im Monat).
Die Eltern der fünf- bis sechsjährigen Kinder, der Kinder, die nun seit der Kindergartengründung vor zweieinhalb Jahren von Comfort Agbley und ihrem Team betreut wurden, wünschen sich eine Fortführung dieses Erziehungsstils über das Kindergartenalter hinaus. So ist die Planung einer Montessorieschule in vollem Gange. Auch hierbei würden wir sie gerne mit Hilfe von Spendengeldern unterstützen. Eine Montessorischule würde deas gesamten Hohoedistrikt für Familien, denen gute Bildungschancen ihrer Kinder ein Anliegen ist, attraktiver machen und sie damit davor bewahren, dazu in die Großstadt umziehen zu müssen. Wir werden diese spannende Entwicklung auf jeden Fall weiterverfolgen.
Als letzte Etappe dieser Ghanareise haben Christfried und ich dem Krankenhaus in Worawora einen Besuch abgestattet. Das Krankenhaus, das derzeit von der ghanaischen Regierung geführt wird, ist in gutem Zustand. Seit unserem letzten Besuch im September 2010 wurden einige Gebäude renoviert. Der neue Chefarzt Dr. Mensah ist engagiert und wird von der Bevölkerung gut angenommen.
Vor etwa einem Jahr konnten wir ein gebrauchtes Röntgengerät, eine Spende aus Bayreuth, nach Worawora schicken. Die Kisten sind vollständig und unbeschädigt angekommen. Bisher konnte Dr. Mensah jedoch in Ghana leider keinen Techniker finden, der dieses (Siemens-) Gerät aufbauen könnte. So sind Christfried und ich momentan auf der Suche nach einem Siemens-Techniker, der bereit ist, nach Ghana zu reisen, um die Inbetriebnahme dieses Röntgengerätes in Worawora anzuleiten.
Nach fast vier Wochen, reich an Eindrücken, sind wir wieder in Deutschland angekommen, gerade rechtzeitig, um hier den Beginn des Frühlings mitzuerleben.

Als Resümee dieser Reise haben wir als „Ernte“ der letzten Jahre einen durchweg positiven Eindruck mit nach Hause genommen. Das Krankenhaus in Worawora läuft gut und die Projektleiterinnen Juliana Foli (Gisela-Memoral-Klinik) und Comfort Agbley (Montessori-akademie) sind vor Ort äußerst engagierte, zuverlässige Partnerinnen. Als Multiplikatorinnen in ihrem Land können sie so ganz viel bewegen.
Wir würden diesen Projekten gerne weitere Unterstützung anbieten können, damit der Kindergarten und Julianas Mitarbeitergebäude fertiggestellt werden können.
Sowohl Juliana Foli als auch Comfort Agbley haben bei ihren Deutschlandaufenthalten erfahren, wie auch in einem vergleichsweise reichen Land wie Deutschland jeder Euro erarbeitet werden muss. Dadurch wissen sie die Spenden sehr zu schätzen und achten genau darauf, dass diese Gelder auch sinnvoll eingesetzt werden.
Christfried und ich bleiben mit den Projektleiterinnen in Kontakt und halten Sie/Euch über die weitere Entwicklung im nächsten Infobrief auf dem Laufenden.
Wir hoffen, dass durch diesen Bericht die Arbeit von Ghana-Freunde e.V. transparent wird. Sollten Fragen offen geblieben sein, beantworten wir diese gerne auch direkt per e-Mail (volta@ghanafreunde.de).
Einige Fotos dieser Reise sowie weitere Informationen über die Projekte sind unter der Rubrik "Bilder" zu sehen.

Wir bedanken uns ganz herzlich für Euer Interesse und Eure Unterstützung.

Herzliche Grüße,

Helga Fuchs und Christfried Döring

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